Die digitale Transformation der Umsatzsteuerprozesse ist in vollem Gange – auch in Deutschland. Was vor wenigen Jahren noch als Zukunftsthema galt, wird ab 2025 zur Pflicht. Deutschland führt stufenweise die elektronische Rechnung für den B2B-Bereich ein. Experten sind sich einig: Ein wichtiger Schritt, um technologisch wettbewerbsfähig zu bleiben – oder um zumindest zu Vorreitern wie Italien aufzuschließen.
Doch nach gut zwei Jahrzehnten digitalpolitischer Zurückhaltung kommt der regulatorische Vorstoß mit seinem gestaffelten Einführungsplan, zahlreichen Sonderregelungen und vielen Ausnahmen einer digitalen Disruption gleich. Große Teile der deutschen Wirtschaft, insbesondere im dokumentenbasierten Geschäftsverkehr, sind noch kaum im digitalen Zeitalter angekommen.
Es verwundert daher nicht, dass rund um Umfang, Zeitplan und Bedeutung der deutschen E-Rechnungspflicht viele Missverständnisse kursieren – selbst in professionellen Fachkreisen.
Die 5 häufigsten Irrtümer zur E-Rechnungspflicht 2025
Vorprogrammierte Verwirrung im Land der elektronischen Parallel-Systeme und Formate
Für viele international tätige Unternehmen ist Deutschland nur ein Teilmarkt. Doch gerade dieser Markt stellt im Kontext regulatorischer Transformation eine enorme Herausforderung dar. Unterschiedliche Formate, ein fragmentierter Plattformansatz im öffentlichen Sektor und ein noch nicht final definiertes Meldemodell machen die Umsetzung der E-Rechnungspflicht komplex.
Im B2G-Bereich zeigt Deutschland, wie man die Verpflichtung zur elektronischen Rechnung besser nicht macht
In Deutschland existieren für den Rechnungsaustausch mit der öffentlichen Hand (B2G) keine einheitlichen technischen oder organisatorischen Vorgaben. Als Rechnungsempfänger nutzen Bund, Länder und Kommunen unzählige unterschiedliche Portale, Formate und Zugangswege (z. B. ZRE, OZG-RE, DE- und E-Mail, Peppol oder Webformulare). Diese Heterogenität erhöht den Integrationsaufwand erheblich. Ohne Plattformstrategie und Konvertierungslösungen bleibt der deutsche B2G-Markt für international agierende Unternehmen ein fragmentierter Flickenteppich.
Für CFOs, Heads of Tax, Finance-IT-Verantwortliche und Global Process Owner für E-Invoicing ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die deutsche E-Rechnungspflicht strategisch einzuordnen. Denn was heute lokal beginnt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in weiten Teilen auch im Rahmen der EU-weiten ViDA-Initiative zum Maßstab für die digitale Zukunft der Steuer.
Diese fünf Irrtümer bei elektronischen Rechnungen in Deutschland sollten Unternehmen ab 2025 vermeiden
Im Folgenden zeigen wir die fünf häufigsten Fehlannahmen über die E-Rechnungspflicht in Deutschland. Aus fokussierter Sicht international tätiger Unternehmen mit ERP-zentrierten Strukturen und Compliance-Ambitionen in mehreren Ländern. Zu jedem Irrtum zeigen wir: Was stimmt, worauf es ankommt – und wie Sie richtig reagieren.
1. E-Rechnungs-Irrtum: „Deutschland ist kein echtes CTC-Land – als Unternehmen fokussieren wir uns auf Italien, Frankreich & Co.“
Deutschland wird oft als digitaler Nachzügler wahrgenommen – und deshalb nicht als prioritäres Land für Continuous Transaction Controls (CTC) eingestuft. Doch das ist ein Trugschluss: Das Wachstumschancengesetz schreibt ab 2025 den Empfang strukturierter E-Rechnungen vor. Ab 2027/2028 folgen dann auch die entsprechenden Ausstellungspflichten. Parallel dazu wird ein digitales Meldesystem zur Umsatzsteuer vorbereitet – mit klaren Anleihen an CTC-Logiken.
- Was das für Sie bedeutet: Wer die regulatorische Entwicklung in Deutschland unterschätzt, verpasst die Chance auf konsolidierte Compliance-Strukturen. Ohne strategische Vorbereitung drohen unnötige Workarounds, Schnittstellenprobleme und operative Doppelstrukturen.
- Was Sie tun sollten: Integrieren Sie Deutschland frühzeitig in Ihre globale CTC-Roadmap. Nutzen Sie die Übergangszeit bei der Einführung der Verpflichtung 2025–2026, um elektronische Standards wie ZUGFeRD, XRechnung und anderen EN-19631-konformen Formaten zu etablieren und Synergien mit anderen Märkten (z. B. FR, IT, PL) zu schaffen.
2. E-Rechnungs-Irrtum: „ZUGFeRD per E-Mail ist das bevorzugte deutsche Format für die E-Rechnung“
Viele Unternehmen setzen in Deutschland auf das hybride Format ZUGFeRD und versenden es per E-Mail – in der Annahme, damit konform zu sein. Tatsächlich ist jedoch nur ZUGFeRD in Version 2.1 (und höher) konform zur EU-Norm EN 16931 - und damit zur Einhaltung der gesetzlichen B2B-Rechnungspflicht geeignet. Hinzu kommt: Der Versand per E-Mail ist unsicher, nicht validierbar und für automatisierte Empfangssysteme oft ungeeignet. Ablehnungen, Zustellprobleme und Cyberrisiken sind die Folge.
- Was das für Sie bedeutet: Was wie eine pragmatische Lösung erscheint, gefährdet in Wahrheit Compliance und Informationssicherheit. Besonders in hochautomatisierten Shared Services birgt der E-Mail-Versand keine belastbare Rückmeldung oder revisionssichere Zustellung.
- Was Sie tun sollten: Setzen Sie auf verlässliche Übertragungswege wie Peppol, um strukturierte E-Rechnungen sicher und interoperabel zu übermitteln. Nur so erfüllen Sie nicht nur deutsche Vorgaben, sondern sichern sich auch gegen operative Ausfälle ab.
3. E-Rechnungs-Irrtum: „Unsere globale EDI-Struktur deckt die elektronische Rechnungsstellung in Deutschland mit ab“
EDI ist in vielen Unternehmen Standard – doch es wird häufig als ausreichende Grundlage für E-Rechnungsprozesse missverstanden. Dabei ist EDI eine Übertragungsmethode, kein rechtskonformes Format. Für die E-Rechnungspflicht in Deutschland gilt: Nur strukturierte, semantisch valide Daten im EN16931-Format sind zulässig.
- Was das für Sie bedeutet: EDI allein ist kein Garant für Compliance. Ohne Validierung, Formatprüfung und revisionssichere Archivierung drohen Ablehnungen und steuerliche Risiken.
- Was Sie tun sollten: Ergänzen Sie Ihre bestehende EDI-Architektur um ein konformes E-Invoicing-Framework mit Validierungslogik und steuerrechtlich belastbaren Archivierungsprozessen.
4. E-Rechnungs-Irrtum: „Peppol ist keine gesetzliche Pflicht und betrifft ohnehin nur B2G“
Noch immer gilt Peppol als Domäne des öffentlichen Sektors – doch das ändert sich schnell. Viele private Plattformen, große Unternehmen und Regierungen in Europa setzen Peppol zunehmend auch im B2B ein. Deutschland folgt diesem Trend, nicht zuletzt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei der Ausgestaltung des geplanten nationalen Meldesystems für digitales Steuerreporting.
- Was das für Sie bedeutet: Ohne Peppol-Konnektivität erschweren Sie sich nicht nur den Zugang zu öffentlichen Auftraggebern, sondern auch zu immer mehr privatwirtschaftlichen Geschäftspartnern.
- Was Sie tun sollten: Prüfen Sie Ihre Netzwerkfähigkeit. Wenn Sie Ihre elektronischen Rechnungen über Peppol versenden (oder empfangen) können, sind Sie für kommende regulatorische Szenarien – auch jenseits Deutschlands – bestens aufgestellt.
5. E-Rechnung-Irrtum: „Wir warten die Einführung der Empfangspflicht 2025 ab und planen erst später“
Zugegeben: Die Pflicht zur E-Rechnungseinführung ist gestaffelt. Doch das heißt nicht, dass Zeit im Überfluss vorhanden ist. Bereits seit dem 1. Januar 2025 müssen alle Unternehmen strukturierte E-Rechnungen empfangen können. Ab 2027 dürfen Unternehmen mit mehr als 800.000 EUR Umsatz keine unstrukturierten Formate mehr versenden – 2028 trifft das alle.
- Was das für Sie bedeutet: Die Übergangsfristen sind operativ kurz. Große Organisationen mit dezentralen Strukturen und ERP-Landschaften brauchen 12–24 Monate für Planung, Testing und Rollout.
- Was Sie tun sollten: Nutzen Sie das Jetzt gezielt zur Gap-Analyse, Prozessmodellierung und Systemkonfiguration. Wer erst 2026 oder später startet, wird unter Druck geraten – sowohl intern als auch regulatorisch.
Wer heute die gesetzlichen Pflichten zu Empfang und Versand von E-Rechnungen erfüllt, kann morgen regulatorisch skalieren
Die deutsche E-Rechnungspflicht ist kein Sonderweg – sie ist vielmehr so etwas wie der umfangreichste Testlauf für ViDA. Wer Irrtümer früh erkennt und regulatorisch solide plant, profitiert gleich doppelt: Durch Compliance-Sicherheit und durch die Chance, eine europaweite Reporting-Infrastruktur mit Effizienzvorteilen aufzubauen.
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